«Es liegt etwas Einmaliges in dieser Kunstrichtung»

Nachgefragt: Lena Schwarz - Schauspielhaus Zürich

Corona hält die Welt in Atem. Die Auswirkungen auf die Bühnenszene sind enorm. Wie gehen Künstlerinnen und Künstler mit dieser Situation um? Wir vom Zürcher Theaterverein haben nachgefragt. Lena Schwarz ist Schauspielerin am Schauspielhaus Zürich und zugleich bildende Künstlerin. In unserem Interview erzählt sie, welchen Einfluss die Pandemie auf ihr Berufsleben hat und wie ihr jüngstes Projekt zustande kam: Ihre Installation „TRAUMKAPELLE II“ kann noch bis Ende März im Pfauen in der Kammer besucht werden.

Frau Schwarz, wie sind Sie als Künstlerin mit dieser undenkbaren Situation umgegangen?

Lena Schwarz: Dieser erste Lockdown-Moment war wie eine Art Loslassen, auch spannend zu Beginn, so, als hätte die Zeit angehalten. Es war wie in Watte gewickelte Trance: Durch die immer ähnlichen Tage verlor ich das Gefühl für die Zeit. Es gab Homeschooling und dann habe ich an meinen verschiedenen Projekten am Schauspielhaus, etwa die „Corona-Passionsspiele“, gearbeitet. Nach dem Sommer haben wir wieder richtig geprobt für „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“, natürlich unter strengsten Sicherheitsmassnahmen. Das war gar nicht so einfach.

Welches Projekt, das Sie gehen lassen mussten, schmerzt Sie am meisten?

Aus den Dingen, die aufgrund der Coronasituation nicht realisiert wurden, entstanden andere, neue Projekte. Daher fühle ich diesbezüglich keinen Schmerz.

Derzeit stellen Sie eine Installation mit Malerei in der Kammer aus – war dies eine solches Projekt?

Es war so etwas wie ein Spalt, der sich mit den Lockerungen Anfang März aufgetan hat, etwas Museales zu bauen für die Leute. Gleichzeitig durfte unter den strengen Auflagen nichts Performatives stattfinden, nichts, was die Menschen zum Verweilen einlädt. Das hat uns gereizt und wir beschlossen, unsere ursprüngliche Idee, die wir mit der „TRAUMKAPELLE II“ hatten, diesen Gegebenheiten anzupassen.

Was bedeutet die "Traumkapelle"?

Es ist eine Art Haus, ein Bauch, in dem bestimmte Leute zusammentreffen. Es sind für mich wichtige Begegnungen. Und in diesem ZeitRaum TRAUMKAPELLE bringen wir unsere Bilder zusammen. Sie hat eine längere Geschichte und ist entstanden aus meiner Begegnung mit dem polnischen Maler und Lyriker Krzysztof Gruse in Bochum. Im Sommer 2016 war die TRAUMKAPELLE im Theater Winkelwiese zu Gast und jetzt ist die Karawane in die Kammer des Schauspielhauses weitergezogen. Krzysztof Gruse und die Schweizer Künstler Erik Schumacher und Andrea Clavadetscher sind dabei, sowie mein wunderbarer Kollege Michael Neuenschwander. Gemeinsam mit meinem Mann Christian Szyska kreierte er die Tonspur. Es ist ein irres Geschenk mit vertrauten Menschen relativ nonverbal ein paar Tage lang zusammen etwas zu bauen.

Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?

Das ist ja so eine grosse Frage... Ich habe die Hoffnung, dass wir als Gesellschaft die Folgen, welche die Schliessungen während der Coronazeit mit sich bringen, zusammen auffangen können. Ich wünsche mir, dass wir uns als Gesellschaft hier in Mitteleuropa wirklich bewusst werden, in was für privilegierten Verhältnissen wir leben, dass wir froh sein können darüber und grossherzig damit umgehen. Und ich habe die Hoffnung, dass wir irgendwann wieder richtig schöne, also richtig lange laute lustige Lalalalala-Feste feiern dürfen.

Könnte sich die Theaterszene durch Covid-19 generell verändern?

Die Dinge verändern sich auf verschiedenen Ebenen, für viele von uns existentiell. Konkret sind durch die Schliessungen der Theater und den dadurch ausfallenden Vorstellungen, Konzerten und Produktionen vielen freiberuflich arbeitenden Kollegen ganze Jahresgehälter weggebrochen. Und das ist eine Katastrophe. Unsere beruflichen Verhältnisse sind ohnehin sehr fragil. Trotzdem glaube ich fest, dass der analoge Moment, indem ein Publikum im Theater sitzt und anderen Erwachsenen dabei zusehen kann, wie sie etwas spielen, für die Gesellschaft wertvoll, seltsam und erhaltenswert bleibt. Denn es liegt etwas Einmaliges in dieser Kunstrichtung, gerade in ihrer enormen Vergänglichkeit und Verletzlichkeit Denn das ist es, was wir sind: vergänglich und live.

Welche Botschaft haben Sie an die Mitglieder des Zürcher Theatervereins?

Kommen Sie, kommen Sie! Das Theater ist geöffnet, jetzt gerade schon...

Bild: Copyright * TRAUMKAPELLE II

Im März lädt Lena Schwarz in die Kammer des Pfauen ein: Zusammen mit dem polnischen Maler Krzysztof Gruse (Bochum/Bydgoszcz) und dem Schweizer Künstlerduo Schumacher/Clavadetscher baut sie eine Installation in die Kammer, es verbindet sich Malerei mit Raum. Akustisch wird die Ausstellung eingebettet in Tonspuren von Michael Neuenschwander und Christian Szyska. (Text Schauspielhaus Zürich).

Link: https://www.schauspielhaus.ch/de/kalender/20389/traumkapelle

Mehr über Lena Schwarz: https://www.schauspielhaus.ch/de/personen/264/lena-schwarz?origin=20389

Herzlichen Dank an das Schauspielhaus Zürich!