«Ich habe ganz viel Hoffnung»

Nachgefragt: Ruben Drole - Opernhaus Zürich

Corona hält die Welt in Atem. Auch die Auswirkungen auf die Bühnenszene sind enorm. Wie gehen Künstlerinnen und Künstler mit dieser Situation um? Wir vom Zürcher Theaterverein haben nachgefragt. Der Winterthurer Opernsänger Ruben Drole, der ein festes Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich ist, hätte in dieser Saison in zwei neuen Opernproduktionen brillieren sollen. Stattdessen entdeckte er neue Talente - auf und abseits der Bühne.

Herr Drole, wie sind Sie als Künstler mit dieser bisher undenkbaren Situation umgegangen?

Ruben Drole: Ich habe versucht, das Beste daraus zu machen. Beim ersten Lockdown war ich damit beschäftigt, das Homeschooling meiner beiden Kinder zu managen. Das hat sehr viel Zeit und Energie in Anspruch genommen. Die ganze Umstellung, der anfängliche Schock, da blieb nicht viel Zeit zum Üben. Da ging’s um das Leben an sich. Ich war mehr Vater als Künstler. Das Gute daran war, dass ich viel mehr Zeit mit meiner Familie verbringen durfte. Das war wirklich schön. Und ich konnte es auch geniessen! Denn glücklicherweise waren wir gesundheitlich nicht betroffen. Dazu ist meine finanzielle Situation als festes Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich in einer solchen Pandemie wohl eine der privilegiertesten, die es für einen Künstler geben kann.

Welches Projekt, das Sie gehen lassen mussten, schmerzt Sie am meisten?

Oh, da gab es viele. Jedes Projekt, das nicht realisiert werden konnte, schmerzt. Es hat mich aber auch zum Nachdenken angeregt, mich neu kalibriert. Man denkt in so einer Situation viel über das Leben nach, über den Sinn. Das war wohl rückblickend betrachtet das grösste Projekt. Das Nachdenken. Und ich bin froh darüber und dankbar dafür.

Wie halten Sie sich künstlerisch fit, ohne Auftritte, ohne Publikum?

Ja, anfangs war’s wie gesagt schwer. Dann durfte ich nach den Sommerferien gleich zwei neue Opernproduktionen in Angriff nehmen. Beides modern, beides anspruchsvoll zu lernen. Die erste Produktion haben wir sogar zur Premiere gebracht. Ich durfte also auftreten. Was für ein Gefühl, wieder auf der Bühne zu stehen, einfach genial. Bei der zweiten Oper kam der Dämpfer. Da mussten wir noch während der Probenphase abbrechen. Das Stück ist aber eigentlich fertig inszeniert und ich freue mich, es in zwei Jahren zur Aufführung zu bringen, wenn die Situation es zulässt. Ich war also auch in dieser Hinsicht in einer sehr privilegierten Situation.

Und abseits der Bühne?

Dazwischen habe ich mich mit anderen Projekten, die nicht viel mit Musik zu tun haben, künstlerisch fit gehalten. Ich habe zum Beispiel ein Hochbeet und einen Geräteschrank für den Garten entworfen und gebaut oder mich als Interior-Designer probiert - natürlich nur zu Hause, indem ich ein zweites Kinderzimmer und ein Arbeits-/Gästezimmer kreiert und eingerichtet habe. Für den Wohnbereich bastelte ich zwei neue Lampen. Zudem habe ich mein Wissen des Bäckerhandwerks vertieft und viele Brote mit eigenem Sauerteig gebacken und auch gegessen. Letzteres merkte ich vor kurzem bei der Anprobe eines neuen Kostüms...

Haben Sie sich während Corona mit einem Komponisten oder Autoren besonders auseinandergesetzt, und wenn ja, warum?

In den letzten Wochen habe ich mich mit der „Geschichte vom Soldaten“ von Igor Stravinsky beschäftigt. Wir planen am Opernhaus dieses Stück für kleines Publikum zu spielen, sobald der Bundesrat grünes Licht gibt. Letzte Woche war die Hauptprobe. Die Generalprobe wurde auf ungewisse Zeit verschoben. Mögliche provisorische Daten gibt es aber schon. Ich fungiere in diesem Stück nicht als Sänger, sondern als Schauspieler, eine Premiere. Es war anfangs ungewohnt, keinen Rhythmus und keine Musik als Stütze zu haben, gerade auch beim Lernen des Textes. Nach kurzer Zeit machte es aber Riesenspass. Ich bin ein wenig auf den Geschmack gekommen und freue mich darauf. Was für ein tolles Stück. Crazy, aber gut!

Was beeindruckt sie an diesem Stück genau?

Die Situation, in der sich die Künstler befanden, als das Stück komponiert wurde, war unserer nicht unähnlich: 1918, Weltkrieg, keine Aufführungen, kein Geld. Stravinsky war hier in der Schweiz im Exil und konnte nicht nach Russland. Auch er war knapp bei Kasse. Da hat man ihn mit Charles Ferdinand Ramuz bekannt gemacht. Sie sollten zusammen ein neues Stück, eine Wanderbühne, kreieren, das am Theater in Lausanne uraufgeführt wurde und anschliessend durch die Schweiz hätte auf Tournee gehen sollen. In Briefwechseln bat der Bühnenbildner Stravinsky, er möge doch bitte den Botschafter in Rom kontaktieren, die Tänzerin brauche unbedingt Ballettschuhe und die seien in der Schweiz gerade nirgends aufzutreiben. Den Fussabdruck der Tänzerin schickte der Bühnenbildner auf einem Papier gleich mit, damit der Herr Botschafter in Rom, die richtige Grösse auswählen könnte. Mit vielen weiteren Hindernissen dieser Art hatte die Produktion damals zu kämpfen. Und eben als die Tournee, nach gelungener Premiere, hätte starten sollen, kam die spanische Grippe. Welch Ironie. Verrückt.

Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?

Ich habe ganz viel Hoffnung. Alles endet, auch eine Pandemie.

Könnte sich die Theater- und Musikszene generell durch Covid-19 verändert haben – wenn ja, wie?

Wie, in welcher Form, und ob sich die Theater- und Musikszene verändert hat, wird sich erst zeigen. Worüber man nachdenken sollte, ist die Situation der freischaffenden Künstler. Da gibt es gesellschaftlich und politisch viel Gesprächsstoff.

Welche Botschaft haben Sie an die Mitglieder des Zürcher Theatervereins?

Ich wünsche uns allen Geduld, Durchhaltevermögen, Glaube, Hoffnung und Liebe. Bleiben Sie gesund!

Bild: Toni Suter / Opernhaus Zürich


Mehr über Ruben Drole: www.artistsman.com/de/kunstler/ruben-drole/


Herzlichen Dank an das Opernhaus Zürich!